Also wenn ihr zwischen dem 1. Mai und dem 17. Mai in Norwegen unterwegs seit und auf eine Gruppe von Jugendlichen mit komischen Hosen und Wasserpistolen trefft, das hat alles so seine Ordnung. Auf diese Art und Weise wird hier nämlich der Schulabschluss zelebriert. Das Ganze nennt sich "Russ" und alle Schüler, welche die weiterführende Schule verlassen, nehmen daran teil. Etwas ähnliches gibt es auch in Schweden, allerdings weniger aufwändig. Die schwedischen Schulabgänger mieten sich Anfang Mai einen LKW mit offener Ladefläche, setzen sich Matrosenmützen auf und fahren mit lauter Musik und Trillerpfeifen durch die Stadt. Loveparade lässt grüßen.

Aber zurück zum Russ oder Russ 2011 wie er in diesem Jahr heißt. Zunächst das Outfit. Ein definitives Muss, sind die lässig, locker hängenden Hosen mit Trägern (Russebukse). Die Hosen gibt es in verschiedenen Farben und die Träger werden in der Regel einfach rechts und links hängen gelassen. Auf die Hosen ist die norwegische Flagge aufgenäht und der Schriftzug Russ 2011 ist sichtbar. Nicht selten wird gegenseitig mit einem Permanent Marker auf der Hose unterschrieben.
Es gibt 2 Shops im Internet, die ausschließlich die Russebuksene und andere Klamotten zum Russ verkaufen. Natürlich ist es erlaubt seine Hose noch selbst zu pimpen.

Die Farbe der Hose gibt darüber Auskunft, von welcher Fachrichtung die besuchte Schule war. Ähnlich wie in Schweden, müssen sich die norwegischen Schüler nach der 9. Klasse für eine weiterführende Schule einer bestimmten Fachrichtung entscheiden. In Schweden nennt sich das Gymnasium, in Norwegen wird dieser Begriff nicht mehr verwendet (laut meiner Lehrerin im Norwegisch-Kurs). Die Dauer der weiterführenden Schule ist unterschiedlich. Für normale Berufsausbildung, wie Auto Mechaniker oder Koch, dauert die weiterführende Schule 2 Jahre. Zu erkennen an den schwarzen Hosen. Diese Fachrichtung berechtigt nicht zum Besuch einer Universität. Die weißen Hosen werden von Schülern getragen, die eine sportliche Richtung eingeschlagen haben. Rote Hose für generelle Hochschulreife in Kommunikation, Musik oder Naturwissenschaften. Blaue Hose wenn man weiter in Richtung Ökonomie studieren will. Wie man sich vorstellen kann, gibt es zwischen den verschiedenen Fachrichtungen einen Konkurrenzkampf, der nicht selten in Streitigkeiten auf der Straße ausartet. Durch die verschiedenen Farben ist es ja auch relativ leicht zu erkennen, welche Schule bzw. Fachrichtung ein Schüler besucht.

Der Russ endet jedes Jahr am 17. Mai, dem Nationalfeiertag Norwegens. Dieser Tag wird traditionell mit Paraden, Umzügen, Volksfesten, Ständen, Essen usw. gefeiert. Ich glaube der 17. Mai ist der einzige Tag, an dem die meisten Norweger einen Anzug tragen. In Norwegen, oder zumindest in Tromsø, interessiert sich sonst eigentlich niemand wirklich für sein Aussehen, ob man Markenklamotten trägt oder mit Anzug zur Arbeit kommt - völlig egal. Am 17. Mai ist das komplett anders. Jedenfalls wird von den Schulabgängern auch eine Russ Parade zum Nationalfeiertag organisiert. Dieser Umzug heißt Russetoget und findet in Tromsø in diesem Jahr um 14:30 Uhr statt. Der Russetoget ist der vierte von fünf Umzügen an diesem Tag in Tromsø. Es gibt noch einen Umzug für Kinder, jüngere Schüler, normale Bürger etc. Für den Russetoget werden von den verschiedenen „Farb-Fraktionen“ eigene Fahrzeuge gebaut, die so genannten Russebiler. Mit diesen nimmt man dann am Umzug teil.

In der Zeit zwischen dem 1. Mai und dem 17. Mai lassen die Schulabgänger die Sau raus, denn es gibt noch eine weitere Tradition: die Russeknuter (Streiche). Unter Russeknuter darf man sich eine Liste mit Aufgaben oder Streichen vorstellen, die jeder Abgänger erledigen kann. Für jede erfüllte Aufgabe gibt es eine Nachweis, z.B. etwas zum in die Haare machen oder einen Aufnäher. Die komplette Liste der Russeknuter umfasst weit mehr als 100 Aufgaben, eine schwachsinniger als die andere. Einige Beispiele. Esse eine Dose Katzenfutter in 5 Minuten. Trink einen Kasten Bier 0,33l in 12 Stunden. Steck dir 2 Tampons in die Backen und trink ein Bier. Geh am Telegrafbukta Strand in Tromsø baden. Sitze eine Schulstunde lang unter deinem Schreibtisch. Höhle zwei Brote aus und benutze sie einen Tag lang als Schuhe. Schlafe 3 Tage lang nicht. Bringe einen Arzt dazu, dich als Junge für eine Frauenkrankheit krank zu schreiben. Küsse einen Lehrer. usw.

Vor dem Nationalfeiertag, am 16. Mai, wird noch mal ordentlich getrunken und gefeiert. In Tromsø traditionell am Bukta Strand (Telegrafbukta). Diesen Ort sollte man an diesem Tag als Tourist oder Einwohner meiden :)

Hier in Nord Norwegen gibt es eine nicht nur viel Geschichte aus dem 2. Weltkrieg zum anfassen, sondern auch eine ganze Menge militärische Anlagen aus der Neuzeit. Neulich auf Arbeit, kamen wir beim Gespräch über die besten Strände in der Gegend, auf einen Strand zirka 15 km südlich von Tromsø, der sich Sandvika nennt. Sehr toller Sandstrand im Übrigen. Jedenfalls meinte mein Chef, der als Kind in Ramfjord aufgewachsen ist und dort oft baden war, dass man mit etwas Glück dort U-Boote sehen könne. Nach einer kurzen Schweigepause und Fragezeichen über dem Kopf gab es dann die Erklärung.

Südöstlich vom Strand, zirka 600 m entfernt, befindet sich eine unterirdische, geheime U-Boot Marinebasis mit Trockendock. Okay, inzwischen ist sie vielleicht nicht mehr ganz so geheim. Auf der Karte bei Google Maps jedenfalls, könnt ihr schön diesen Felsen bei Olavsvern sehen. Der komplette Felsen ist ausgehöhlt wie ein Schweizer Käse. Die Basis muss riesig sein, mehrere hundert Meter lang. Keine Ahnung wie viele Docks nebeneinander. Die Einfahrt zur Basis für die U-Boote, befindet sich übrigens unter Wasser und ist von außen nicht sichtbar. Jedenfalls wird Olavsvern seit 2009 nicht mehr militärisch genutzt und steht zum Verkauf. Wenn ihr 105.000.000 NOK übrig habt, gehört dieses Schmuckstück euch. Das sind in etwas 13,5 Millionen Euro, aber hey - wer kann schon einen U-Boot Stützpunkt sein Eigen nennen. Eine komplette Objektbeschreibung (leider in Norwegisch) könnt ihr euch hier anschauen.

Olavsvern wurde von der NATO bis 2009 genutzt und hatte einige prominente Besucher, z.B. die Miami SSN-755. Ein amerikanisches U-Boot der Los Angeles Klasse, quasi genau so wie ihr es aus Jagd auf Roter Oktober kennt. Ich denke das es dieses U-Boot ist und es kein anderes U-Boot gibt, dass Miami heißt. Ich werde in den nächsten Wochen mal nach Olavsvern fahren und schauen wie weit man auf das Gelände kommt. Schade das man die Basis nicht besichtigen kann. In Deutschland wäre Olavsvern, solange sich kein neuer Eigentümer findet, bestimmt schon zum Museum mit Eintritt und Führungen verwandelt worden.